Erik: Sie haben es ja gerade angesprochen, die Kirche hatte ja früher, besonders im Mittelalter noch mehr zu sagen, als heutzutage. Was meinen Sie, wie viel Einfluss darf die Kirche heute noch im Staat haben?
Herr Schindler: Ja gar keinen, hab ich ja hoffentlich gerade zum Ausdruck gebracht. Die Kirche als Institution sollte keine staatliche Macht besitzen, aber in der gesellschaftlichen Debatte vernehmbar sein und sich klar positionieren, wie andere Akteure auch. Das muss man klar unterscheiden: Der Bischof, der gleichzeitig auch Grundherr und Fürst gewesen ist, das war einer der schlimmsten Missbildungen, die es in der Kirche gegeben hat, das hätte nie passieren dürfen.
Herr Funk: Zum Glück gab es ja den guten Martin [gemeint ist Martin Luther]
Herr Schindler: JA gut, der hat da zwar einiges geglättet, aber durch das von mir schon angesprochene Landesherrliche Kirchenregiment natürlich auch eine Weiterherrschaft oder Herrschaft der Fürsten über die Kirche, die wieder die Kirche als Instrument für ihre Legitimation der Herrschaft benutzt haben, das darf es natürlich auch nicht sein.
Herr Funk: Hat ja dann auch eine Weile gedauert, bis das dann auch vom Tisch war. [Herr Schindler lacht]
Erik: Dann kommen wir mal zum Thema Schule und Religion: Inwieweit erachten Sie eine getrennte Lehre des Glaubens, auf Basis unterschiedlicher Konfessionen für sinnvoll und wäre ein ökumenischer Religionsunterricht eine denkbare Alternative für Sie?
Herr Funk: Auf keinen Fall [lacht]. Doch natürlich…
Erik: Bitte begründen Sie Ihre Meinung…
Herr Funk: Das hat sicherlich, wie alles im Leben, seine Vor- und Nachteile. Ein streng konfessioneller Unterricht mag von vielen Leuten antiquiert betrachtet werden. Meine persönliche Meinung ist, auch da könnte sich Schule oder Kirche öffnen, um das Ganze offener zu gestalten. Also ich hätte da kein Problem damit.
Herr Schindler: Also die Zusammenarbeit gibt es ja zumindest in der Theorie in der Kursstufe, wenn das Zustandekommen eines Leistungsfaches geklärt werden soll. Das habe ich an anderen Schulen auch schon erlebt. Also grundsätzlich ist es ja schon da. Aber alles irgendwie zusammenzufassen in einer Art Lebenskunde, was vielleicht ein nächster Schritt wäre-
Herr Funk: Dafür haben wir ja schon Ethik
Herr Schindler: Und das ist ja schon schlimm genug [lacht]
Claudia: Wir hatten es ja gerade schon über den Einfluss der Kirche und deren Politisierung, aber wie viel Einfluss sollte denn die Kirche auch im staatlichen Bildungssystem haben?
Herr Funk: Also ich finde es generell wichtig, dass wir an staatlichen Schulen Religionsunterricht haben. Das ist in anderen Ländern bekanntermaßen ja nicht so. Nicht nur aus Glaubenssicht, sondern auch-
Herr Schindler: Religiöse Bildung ist halt eben auch Bildung und sehr wichtig für junge Menschen-
Herr Funk: Auch was die Allgemeinbildung anbelangt.
Herr Schindler: Ja und dass man auch in diesen Fragen sich eben mal dem Grundsätzlichen stellt und dann ja immer noch für sich eine Lebensentscheidung treffen kann, aber das kann ich natürlich immer nur, wenn ich auch Bildung genossen haben. Die authentische Heranführung, was Religion ist, durch entsprechendes Fachpersonal ist natürlich immer auch etwas anderes, als irgendwelche lebenskundliche Darlegungen durch Philosophieabsolventen oder des gleichen. Ansonsten kann ich noch einen Einfluss der Kirche auf den Bildungsplan nachvollziehen, aber ich finde zum Beispiel kirchliche Visitationen im Schulbetrieb sind ein überholtes Instrument, das Überbürokratisierung und den alten Machtanspruch der Kirche fixiert, was ich für absolut unnötig halte. Vor allem ist es auch eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Fächern. Natürlich ist Religion ein spezielles Fach und auch eines, welches auch in unserer Landesverfassung abgesichert ist, aber trotzdem, ist das mir zu viel Kontrolle, wo auch Kirche nicht hingehört, das ist eine staatliche Angelegenheit.
Claudia: Könnten Sie vielleicht, auch für unsere jüngeren Leser darlegen, was die „kirchliche Visitation“ ist?
Herr Funk: Wenn die Kirche bzw. ein Stellvertreter bei uns im Unterricht vorbeischauen und da drauf gucken.
Herr Schindler: Genau und die Fachschaften besuchen und uns da behelligen. Das gibt es sowohl staatlicher als auch kirchlicher Seits.. Damit könnten die natürlich auch ihren Einfluss ausweiten.
Erik: Ich nehme an, Sie halten dann auch das Konzept des Religionsunterrichts weiterhin für zukunftsfähig?
Herr Funk: Selbstverständlich. Genau, wie wir vorhin dargelegt haben, dass wir es wichtig finden, dass Kirche mehr politische Stimme sein soll, ohne einen Machteinfluss, aber eben dieses Ethische im Hintergrund, das ist genauso wichtig oder vergleichbar wie dass es in der Schule präsent sein muss, auch in Zukunft.
Herr Schindler: Also definitiv, ich denke die Erfordernis stellt sich jetzt gerade, auch durch all die Verwerfungen. Irgendeinen Raum muss es ja doch geben, sich solchen Fragen zu stellen, auch eben mit einer Person, die da eine gewisse Vorbildung und Lebenserfahrung hat, um auf solche Fragen auch einzugehen.
Herr Funk: Genau, ich komm jetzt gerade aus der 9. Klasse raus, da geht es um das Thema Tod, Trauer, Sterbehilfe, aber das Ganze natürlich mit einem christlichen Hintergrund wo dann auch weitere Fragen gestellt werden. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was erwartet uns da? Wie gehen wir aus christlicher Sicht mit sowas um?
Herr Schindler: Aber es wird ja auch ein Vergleich gemacht, also wie sehen das andere Religionen? Was ist da gleich? Was sind Unterschiede? Wo können wir da zusammenkommen? Das ist natürlich auch ganz wichtig. Das eigene Verstehen ist ja mal eine Basis, um andere verstehen zu können, weil wenn ich nicht weiß wo ich herkomme, fällt es mir noch schwerer den anderen zu verstehen. Religion ist ja auch als Teil vom Kultur in diesem Land.
Herr Funk: Amen Bruder
Herr Schindler: Bravo…
Erik: An meiner alten Schule, als ich da Religionsunterricht hatte, ging es da eigentlich immer nur um die Bibel, um Jesus Christus und um das Weltbild der Kirche-
Herr Schindler: Ich verstehe die Frage nicht…
Erik: Wie weit wäre es denn für Sie sinnvoll das ethische Denken als wirklich primäre Ziel, nicht mehr die tatsächliche Vermittlung des christlichen Glaubens [-]
Claudia: Also inwieweit Sie ein primäres Augenmerk des Religionsunterrichtes eben auf dem ethischen Denken für sinnvoll halten?
Herr Schindler: Wie kann Blum, der meinem qualitativ hochwertigem Unterricht schon das dritte Halbjahr folgt nur so eine Frage stellen? Bei mir geht es doch laufend um Ethik… Das Problem ist doch eher das Fach Ethik
Claudia: Wieso ist denn das Fach Ethik ein Problem?
Herr Schindler: Naja guck doch die Leute an die da drin sitzen, dann beantwortet das die Frage ganz von selbst…
Herr Funk: Eigentlich ist es doch gut, dass wir die haben…[Herr Schindler: Ja ich bin sehr froh] So als Auffangbecken…
Herr Schindler: Jeder Schulstörer landet irgendwann mal in Ethik, es ist wie ein Naturgesetz.
Claudia: Wir hatten es ja gerade die ganze Zeit über den Ethikunterricht und wie man ja dann auch in der Entwicklung sieht, von vier Fünften Klassen gibt es nur eine katholische Religionsklasse, und nun ja, bei uns im Jahrgang gab es damals bei drei Klassen zwei katholische Religionsklassen…
Herr Schindler: Gut der gesellschaftliche Trend… Nur noch knapp die Hälfte der Gesellschaft ist konfessionell gebunden, was natürlich nie bedeutet, dass man sein Kind nicht in den Religionsunterricht schicken möchte, aber das lässt sich natürlich damit ziemlich einfach erklären, selbst in einer katholischen Kirche wie dieser.
Herr Funk: Man sieht es ja sogar an der aktuellen Kanzlerschaft von Olaf Scholz…
Herr Schindler: Die Herrschaft der Gottlosen
Her Funk: Genau, die Gottlosigkeit hat auch in der ganz großen Weltpolitik ihren Platz gefunden.
Claudia: Eigentlich wollte ich darauf gar nicht hinaus.
Herr Schindler: Aber wir
Claudia: Danke für die Ausschweifung. Wir wollten darauf hinaus, inwieweit Sie der Entwicklung, dass immer weniger Leute im konfessionellen Religionsunterricht sitzen auch was Positives abgewinnen können.
Herr Funk: Na das die ganzen Störer schon von vornherein weg… Die sind alle schon im Ethikunterricht und man kann mit denen, die wirklich Interesse haben und die nötige Intelligenz mitbringen, wenn ich mich hier umgucke, schwierig,… Das bietet natürlich auch seine Chancen. Wobei es natürlich auch sein kann, dass es wie bei allem ist, dass es so Zyklen sind und so Trends und dass es in drei vier Jahren wieder total anders aussieht. Vielleicht ist das jetzt auch Wunschdenken.
Herr Schindler: Also zum Unterrichten ist es oft einfacher, weil die Gruppen nicht so groß sind.
Herr Funk: Ich hatte gerade die Neuner, das waren 13 Leute, das war fantastisch.
Herr Schindler: Also von der Seite aus ist es super.
[Unterbrechung durch 5.Klässler und Hintergrundgespräch der beiden Lehrkräfte]
Erik: Nun eine gezielte Frage an Herr Funk: Was sagen Sie zu den Vorwürfen gegen die katholische Kirche und inwieweit sollen diese auch im Religionsunterricht in der Schule thematisiert werden?
Herr Funk: Es sollte in jedem Fall thematisiert werden. Die Kirche hat viele dunkle Kapitel und da ist das jetzt ein brandaktuelles. Ich persönlich finde nicht die Tatsache, dass da ein Missbrauch stattgefunden hat so unglaublich, sondern die Art und Weise wie die katholische Kirche damit umgegangen ist. Dieses berühmtberüchtigten Mäntelchen des Schweigens, dieses Vertuschen, Pfarrer in andere Pfarreien zu versetzen, ohne die Leute darüber zu informieren und Straftaten versuchen zu vertuschen. Also wie gesagt der Umgang mit dem Ganzen macht mich so sprachlos und so wütend und so traurig…
Herr Schindler: Jetzt dachte ich gerade, Claudia Roth sitzt neben mir und spricht.
Herr Funk: Wieso?
Herr Schindler: Sprachlos und traurig… ergreifend
Herr Funk: Oscarreif
[erneute Störung durch 5.Klässler]
Erik: Nun eine Frage an Sie beide: Inwieweit sollte die Kritik an der katholischen Kirche und auch deren Aufarbeitung der Kritik Inhalt des Religionsunterrichtes (Bildungsplan) sein? Also sollte dies auch im evangelischen Religionsunterricht thematisiert werden?
Herr Schindler: Also bei uns hat es ja Missbrauch gegeben, von daher betrifft das ja uns alle. Dass ist natürlich auch immer eine Frage, wie man das Ganze aufbereitet oder thematisiert, aber ein offener Umgang mit diesen Themen ist auf jeden Fall angebracht.
Herr Funk: Ja logisch, notwendig. Da spielt es keine Rolle, welche Konfession.
Herr Schindler: Und wie Herr Funk ja schon gesagt hat, der Umgang damit, das ist ja ein absoluter Extremfall von Sünde und hätte zumindest mit dem Ausschluss aus der Communio bestraft gehört aus meiner Sicht. Solchen Leuten sollte man zumindest da irdische Heil entziehen. Was im Jenseits geschieht können wir ja nicht beeinflussen, das glaubt ja nicht einmal mehr die katholische Kirche. Aber hier sollte man doch klar diese ganzen Täter, von mir aus auch posthum aus der Kirche ausschließen und sie der höheren Gewalt Gottes überlassen.
Herr Funk: Genau Exkommunikation. Bäm. [Pause] Geht des posthum?
Herr Schindler: Also wenn man posthum Leute zu irgendwelchen heiligen Wundertätern erklären kann man sie bestimmt auch aus der Kirche ausschließen [lacht]. Posthum sind ja auch Leute rehabilitiert worden, also finde ich, der Umkehrweg-
Herr Funk: Müsste eigentlich legitim sein.
Herr Schindler: Was mit denen passiert ist, ist ja eh egal, aber man könnte zumindest sagen, ihr Verhalten disqualifiziert sie nachträglich, als ordentliches Mitglied unserer Kirche gewirkt zu haben. Das ist immerhin noch eine Form der Distanzierung… Ich finde, das wäre ein richtiges Zeichen.
Herr Funk: Richtig, das wäre eine wirkliche Konfession, also ein richtiges Bekenntnis: Wir stehen auf eurer Seite
Herr Schindler: Immer daran denken, was hätte Christus getan?
Claudia: Nun eine Frage an Herr Schindler: Im Bezug auf die Vorwürfe gegen die katholische Kirche, sehen Sie eine Berechtigung für die evangelische Kirche, mahnend den Zeigefinger zu erheben? Man kann ja schließlich keine Gutachten vertuschen, die ja nie oder noch gar nicht erstellt wurden?
Herr Schindler: Wer ohne Sünde ist, sollte den ersten Stein werfen, um Jesus zu zitieren.
Herr Funk: Oha, ich hätte jetzt aus dem Johannes Evangelium zitiert; Ihr kennt ja das Gleichnis mit dem Splitter und dem Balken…
Herr Schindler: Da gibt es keinen Grund zur Häme oder zur Überheblichkeit, sondern alle Beteiligten müssen für sich zu antworten kommen, wie sie solche unglaublichen Verbrechen in der Zukunft möglichst verhindern. Leider ist das ja auch ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und wird wohl leider wahrscheinlich nie verschwinden, so ehrlich müssen wir leider auch sein. Aber man darf nicht Strukturen schaffen, dass es in der Kirche und in ähnlichen Institutionen auch noch leicht ist, mit solchen Taten durchzukommen und ungestraft davonzukommen. Da denke ich, muss man knallhart sein, sonst macht man sich unglaubwürdig.
Erik: Um jetzt nochmal auf ein ganz aktuelles Thema zu sprechen zu kommen, nämlich der Pandemie. Während der Pandemie tendieren ja viele Menschen verstärkt dazu, empirisch gesicherte Daten, dem puren Vertrauen auf Gott vorzuziehen. Meinen Sie, die Wissenschaft verdrängt die Religion so ein bisschen von ihrem Thron?
Herr Funk: Geht die jetzt an beide die Frage?
[Herr Schindler: Stand die nicht in der letzten Klausur?
Erik: So ungefähr…]
Herr Funk: Ich glaube die Kirche hat schon seit Beginn der ersten wissenschaftlichen Methoden Angst davor. Und? Sie ist immer noch da
Herr Schindler: Es ist ja aber auch eine Verschiebung. Die Deutungshoheit, die Kirche sollte ja eigentlich nicht über solche Themen befinden, sondern ihr Thema ist ein ganz anderes. Ihr Thema ist ja eines, welches über das diesseits hinausgeht und eine Botschaft auch für diesseits hat, aber auch auf das jenseitige gerichtet ist. Das gegeneinander auszuspielen, macht ja auch nicht viel Sinn. Jeder der sich mit einer Wissenschaftlichkeit glaub heranwagen zu können zum Beispiel an die Schöpfungsberichte, verkennt natürlich die Intention dieser Texte. Es ist natürlich ein billiges Spiel. Spannender ist natürlich die Frage wo können die beiden zusammenkommen und das hat ja auch schon der Kollege Funk dargelegt. In vielen gesellschaftlichen Fragen müssen wir uns bewusst werden, wie weit wir gehen dürfen und wo die Grenzen unseres Tuns sind. Die sind, glaube ich ganz entscheidend. Da kann christlicher Glaube sicherlich ein gutes Wertekorsett sein, bei der Beantwortung dessen wie weit dürfen wir gehen? Ist das mit Menschenrechten und unseren Vorstellungen, auch im Umgang n´mit der Umwelt so zu vertreten oder nicht.
Herr Funk: Da kann ich noch eine sehr guten Text ans Herz legen, von Hans Küng, in dem es um Faktizität geht, mit dem Titel „Was ist Wahrheit?“
Herr Schindler: Neben natürlich allen Schriften des Papstes [lacht]
Erik: Sie haben es ja gerade angesprochen, die Kirche hatte ja früher, besonders im Mittelalter noch mehr zu sagen, als heutzutage. Was meinen Sie, wie viel Einfluss darf die Kirche heute noch im Staat haben?
Herr Schindler: Ja gar keinen, hab ich ja hoffentlich gerade zum Ausdruck gebracht. Die Kirche als Institution sollte keine staatliche Macht besitzen, aber in der gesellschaftlichen Debatte vernehmbar sein und sich klar positionieren, wie andere Akteure auch. Das muss man klar unterscheiden: Der Bischof, der gleichzeitig auch Grundherr und Fürst gewesen ist, das war einer der schlimmsten Missbildungen, die es in der Kirche gegeben hat, das hätte nie passieren dürfen.
Herr Funk: Zum Glück gab es ja den guten Martin [gemeint ist Martin Luther]
Herr Schindler: JA gut, der hat da zwar einiges geglättet, aber durch das von mir schon angesprochene Landesherrliche Kirchenregiment natürlich auch eine Weiterherrschaft oder Herrschaft der Fürsten über die Kirche, die wieder die Kirche als Instrument für ihre Legitimation der Herrschaft benutzt haben, das darf es natürlich auch nicht sein.
Herr Funk: Hat ja dann auch eine Weile gedauert, bis das dann auch vom Tisch war. [Herr Schindler lacht]
Erik: Dann kommen wir mal zum Thema Schule und Religion: Inwieweit erachten Sie eine getrennte Lehre des Glaubens, auf Basis unterschiedlicher Konfessionen für sinnvoll und wäre ein ökumenischer Religionsunterricht eine denkbare Alternative für Sie?
Herr Funk: Auf keinen Fall [lacht]. Doch natürlich…
Erik: Bitte begründen Sie Ihre Meinung…
Herr Funk: Das hat sicherlich, wie alles im Leben, seine Vor- und Nachteile. Ein streng konfessioneller Unterricht mag von vielen Leuten antiquiert betrachtet werden. Meine persönliche Meinung ist, auch da könnte sich Schule oder Kirche öffnen, um das Ganze offener zu gestalten. Also ich hätte da kein Problem damit.
Herr Schindler: Also die Zusammenarbeit gibt es ja zumindest in der Theorie in der Kursstufe, wenn das Zustandekommen eines Leistungsfaches geklärt werden soll. Das habe ich an anderen Schulen auch schon erlebt. Also grundsätzlich ist es ja schon da. Aber alles irgendwie zusammenzufassen in einer Art Lebenskunde, was vielleicht ein nächster Schritt wäre-
Herr Funk: Dafür haben wir ja schon Ethik
Herr Schindler: Und das ist ja schon schlimm genug [lacht]
Claudia: Wir hatten es ja gerade schon über den Einfluss der Kirche und deren Politisierung, aber wie viel Einfluss sollte denn die Kirche auch im staatlichen Bildungssystem haben?
Herr Funk: Also ich finde es generell wichtig, dass wir an staatlichen Schulen Religionsunterricht haben. Das ist in anderen Ländern bekanntermaßen ja nicht so. Nicht nur aus Glaubenssicht, sondern auch-
Herr Schindler: Religiöse Bildung ist halt eben auch Bildung und sehr wichtig für junge Menschen-
Herr Funk: Auch was die Allgemeinbildung anbelangt.
Herr Schindler: Ja und dass man auch in diesen Fragen sich eben mal dem Grundsätzlichen stellt und dann ja immer noch für sich eine Lebensentscheidung treffen kann, aber das kann ich natürlich immer nur, wenn ich auch Bildung genossen haben. Die authentische Heranführung, was Religion ist, durch entsprechendes Fachpersonal ist natürlich immer auch etwas anderes, als irgendwelche lebenskundliche Darlegungen durch Philosophieabsolventen oder des gleichen. Ansonsten kann ich noch einen Einfluss der Kirche auf den Bildungsplan nachvollziehen, aber ich finde zum Beispiel kirchliche Visitationen im Schulbetrieb sind ein überholtes Instrument, das Überbürokratisierung und den alten Machtanspruch der Kirche fixiert, was ich für absolut unnötig halte. Vor allem ist es auch eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Fächern. Natürlich ist Religion ein spezielles Fach und auch eines, welches auch in unserer Landesverfassung abgesichert ist, aber trotzdem, ist das mir zu viel Kontrolle, wo auch Kirche nicht hingehört, das ist eine staatliche Angelegenheit.
Claudia: Könnten Sie vielleicht, auch für unsere jüngeren Leser darlegen, was die „kirchliche Visitation“ ist?
Herr Funk: Wenn die Kirche bzw. ein Stellvertreter bei uns im Unterricht vorbeischauen und da drauf gucken.
Herr Schindler: Genau und die Fachschaften besuchen und uns da behelligen. Das gibt es sowohl staatlicher als auch kirchlicher Seits.. Damit könnten die natürlich auch ihren Einfluss ausweiten.
Erik: Ich nehme an, Sie halten dann auch das Konzept des Religionsunterrichts weiterhin für zukunftsfähig?
Herr Funk: Selbstverständlich. Genau, wie wir vorhin dargelegt haben, dass wir es wichtig finden, dass Kirche mehr politische Stimme sein soll, ohne einen Machteinfluss, aber eben dieses Ethische im Hintergrund, das ist genauso wichtig oder vergleichbar wie dass es in der Schule präsent sein muss, auch in Zukunft.
Herr Schindler: Also definitiv, ich denke die Erfordernis stellt sich jetzt gerade, auch durch all die Verwerfungen. Irgendeinen Raum muss es ja doch geben, sich solchen Fragen zu stellen, auch eben mit einer Person, die da eine gewisse Vorbildung und Lebenserfahrung hat, um auf solche Fragen auch einzugehen.
Herr Funk: Genau, ich komm jetzt gerade aus der 9. Klasse raus, da geht es um das Thema Tod, Trauer, Sterbehilfe, aber das Ganze natürlich mit einem christlichen Hintergrund wo dann auch weitere Fragen gestellt werden. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was erwartet uns da? Wie gehen wir aus christlicher Sicht mit sowas um?
Herr Schindler: Aber es wird ja auch ein Vergleich gemacht, also wie sehen das andere Religionen? Was ist da gleich? Was sind Unterschiede? Wo können wir da zusammenkommen? Das ist natürlich auch ganz wichtig. Das eigene Verstehen ist ja mal eine Basis, um andere verstehen zu können, weil wenn ich nicht weiß wo ich herkomme, fällt es mir noch schwerer den anderen zu verstehen. Religion ist ja auch als Teil vom Kultur in diesem Land.
Herr Funk: Amen Bruder
Herr Schindler: Bravo…
Erik: An meiner alten Schule, als ich da Religionsunterricht hatte, ging es da eigentlich immer nur um die Bibel, um Jesus Christus und um das Weltbild der Kirche-
Herr Schindler: Ich verstehe die Frage nicht…
Erik: Wie weit wäre es denn für Sie sinnvoll das ethische Denken als wirklich primäre Ziel, nicht mehr die tatsächliche Vermittlung des christlichen Glaubens [-]
Claudia: Also inwieweit Sie ein primäres Augenmerk des Religionsunterrichtes eben auf dem ethischen Denken für sinnvoll halten?
Herr Schindler: Wie kann Blum, der meinem qualitativ hochwertigem Unterricht schon das dritte Halbjahr folgt nur so eine Frage stellen? Bei mir geht es doch laufend um Ethik… Das Problem ist doch eher das Fach Ethik
Claudia: Wieso ist denn das Fach Ethik ein Problem?
Herr Schindler: Naja guck doch die Leute an die da drin sitzen, dann beantwortet das die Frage ganz von selbst…
Herr Funk: Eigentlich ist es doch gut, dass wir die haben…[Herr Schindler: Ja ich bin sehr froh] So als Auffangbecken…
Herr Schindler: Jeder Schulstörer landet irgendwann mal in Ethik, es ist wie ein Naturgesetz.
Claudia: Wir hatten es ja gerade die ganze Zeit über den Ethikunterricht und wie man ja dann auch in der Entwicklung sieht, von vier Fünften Klassen gibt es nur eine katholische Religionsklasse, und nun ja, bei uns im Jahrgang gab es damals bei drei Klassen zwei katholische Religionsklassen…
Herr Schindler: Gut der gesellschaftliche Trend… Nur noch knapp die Hälfte der Gesellschaft ist konfessionell gebunden, was natürlich nie bedeutet, dass man sein Kind nicht in den Religionsunterricht schicken möchte, aber das lässt sich natürlich damit ziemlich einfach erklären, selbst in einer katholischen Kirche wie dieser.
Herr Funk: Man sieht es ja sogar an der aktuellen Kanzlerschaft von Olaf Scholz…
Herr Schindler: Die Herrschaft der Gottlosen
Her Funk: Genau, die Gottlosigkeit hat auch in der ganz großen Weltpolitik ihren Platz gefunden.
Claudia: Eigentlich wollte ich darauf gar nicht hinaus.
Herr Schindler: Aber wir
Claudia: Danke für die Ausschweifung. Wir wollten darauf hinaus, inwieweit Sie der Entwicklung, dass immer weniger Leute im konfessionellen Religionsunterricht sitzen auch was Positives abgewinnen können.
Herr Funk: Na das die ganzen Störer schon von vornherein weg… Die sind alle schon im Ethikunterricht und man kann mit denen, die wirklich Interesse haben und die nötige Intelligenz mitbringen, wenn ich mich hier umgucke, schwierig,… Das bietet natürlich auch seine Chancen. Wobei es natürlich auch sein kann, dass es wie bei allem ist, dass es so Zyklen sind und so Trends und dass es in drei vier Jahren wieder total anders aussieht. Vielleicht ist das jetzt auch Wunschdenken.
Herr Schindler: Also zum Unterrichten ist es oft einfacher, weil die Gruppen nicht so groß sind.
Herr Funk: Ich hatte gerade die Neuner, das waren 13 Leute, das war fantastisch.
Herr Schindler: Also von der Seite aus ist es super.
[Unterbrechung durch 5.Klässler und Hintergrundgespräch der beiden Lehrkräfte]
Erik: Nun eine gezielte Frage an Herr Funk: Was sagen Sie zu den Vorwürfen gegen die katholische Kirche und inwieweit sollen diese auch im Religionsunterricht in der Schule thematisiert werden?
Herr Funk: Es sollte in jedem Fall thematisiert werden. Die Kirche hat viele dunkle Kapitel und da ist das jetzt ein brandaktuelles. Ich persönlich finde nicht die Tatsache, dass da ein Missbrauch stattgefunden hat so unglaublich, sondern die Art und Weise wie die katholische Kirche damit umgegangen ist. Dieses berühmtberüchtigten Mäntelchen des Schweigens, dieses Vertuschen, Pfarrer in andere Pfarreien zu versetzen, ohne die Leute darüber zu informieren und Straftaten versuchen zu vertuschen. Also wie gesagt der Umgang mit dem Ganzen macht mich so sprachlos und so wütend und so traurig…
Herr Schindler: Jetzt dachte ich gerade, Claudia Roth sitzt neben mir und spricht.
Herr Funk: Wieso?
Herr Schindler: Sprachlos und traurig… ergreifend
Herr Funk: Oscarreif
[erneute Störung durch 5.Klässler]
Erik: Nun eine Frage an Sie beide: Inwieweit sollte die Kritik an der katholischen Kirche und auch deren Aufarbeitung der Kritik Inhalt des Religionsunterrichtes (Bildungsplan) sein? Also sollte dies auch im evangelischen Religionsunterricht thematisiert werden?
Herr Schindler: Also bei uns hat es ja Missbrauch gegeben, von daher betrifft das ja uns alle. Dass ist natürlich auch immer eine Frage, wie man das Ganze aufbereitet oder thematisiert, aber ein offener Umgang mit diesen Themen ist auf jeden Fall angebracht.
Herr Funk: Ja logisch, notwendig. Da spielt es keine Rolle, welche Konfession.
Herr Schindler: Und wie Herr Funk ja schon gesagt hat, der Umgang damit, das ist ja ein absoluter Extremfall von Sünde und hätte zumindest mit dem Ausschluss aus der Communio bestraft gehört aus meiner Sicht. Solchen Leuten sollte man zumindest da irdische Heil entziehen. Was im Jenseits geschieht können wir ja nicht beeinflussen, das glaubt ja nicht einmal mehr die katholische Kirche. Aber hier sollte man doch klar diese ganzen Täter, von mir aus auch posthum aus der Kirche ausschließen und sie der höheren Gewalt Gottes überlassen.
Herr Funk: Genau Exkommunikation. Bäm. [Pause] Geht des posthum?
Herr Schindler: Also wenn man posthum Leute zu irgendwelchen heiligen Wundertätern erklären kann man sie bestimmt auch aus der Kirche ausschließen [lacht]. Posthum sind ja auch Leute rehabilitiert worden, also finde ich, der Umkehrweg-
Herr Funk: Müsste eigentlich legitim sein.
Herr Schindler: Was mit denen passiert ist, ist ja eh egal, aber man könnte zumindest sagen, ihr Verhalten disqualifiziert sie nachträglich, als ordentliches Mitglied unserer Kirche gewirkt zu haben. Das ist immerhin noch eine Form der Distanzierung… Ich finde, das wäre ein richtiges Zeichen.
Herr Funk: Richtig, das wäre eine wirkliche Konfession, also ein richtiges Bekenntnis: Wir stehen auf eurer Seite
Herr Schindler: Immer daran denken, was hätte Christus getan?
Claudia: Nun eine Frage an Herr Schindler: Im Bezug auf die Vorwürfe gegen die katholische Kirche, sehen Sie eine Berechtigung für die evangelische Kirche, mahnend den Zeigefinger zu erheben? Man kann ja schließlich keine Gutachten vertuschen, die ja nie oder noch gar nicht erstellt wurden?
Herr Schindler: Wer ohne Sünde ist, sollte den ersten Stein werfen, um Jesus zu zitieren.
Herr Funk: Oha, ich hätte jetzt aus dem Johannes Evangelium zitiert; Ihr kennt ja das Gleichnis mit dem Splitter und dem Balken…
Herr Schindler: Da gibt es keinen Grund zur Häme oder zur Überheblichkeit, sondern alle Beteiligten müssen für sich zu antworten kommen, wie sie solche unglaublichen Verbrechen in der Zukunft möglichst verhindern. Leider ist das ja auch ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und wird wohl leider wahrscheinlich nie verschwinden, so ehrlich müssen wir leider auch sein. Aber man darf nicht Strukturen schaffen, dass es in der Kirche und in ähnlichen Institutionen auch noch leicht ist, mit solchen Taten durchzukommen und ungestraft davonzukommen. Da denke ich, muss man knallhart sein, sonst macht man sich unglaubwürdig.
Erik: Um jetzt nochmal auf ein ganz aktuelles Thema zu sprechen zu kommen, nämlich der Pandemie. Während der Pandemie tendieren ja viele Menschen verstärkt dazu, empirisch gesicherte Daten, dem puren Vertrauen auf Gott vorzuziehen. Meinen Sie, die Wissenschaft verdrängt die Religion so ein bisschen von ihrem Thron?
Herr Funk: Geht die jetzt an beide die Frage?
[Herr Schindler: Stand die nicht in der letzten Klausur?
Erik: So ungefähr…]
Herr Funk: Ich glaube die Kirche hat schon seit Beginn der ersten wissenschaftlichen Methoden Angst davor. Und? Sie ist immer noch da
Herr Schindler: Es ist ja aber auch eine Verschiebung. Die Deutungshoheit, die Kirche sollte ja eigentlich nicht über solche Themen befinden, sondern ihr Thema ist ein ganz anderes. Ihr Thema ist ja eines, welches über das diesseits hinausgeht und eine Botschaft auch für diesseits hat, aber auch auf das jenseitige gerichtet ist. Das gegeneinander auszuspielen, macht ja auch nicht viel Sinn. Jeder der sich mit einer Wissenschaftlichkeit glaub heranwagen zu können zum Beispiel an die Schöpfungsberichte, verkennt natürlich die Intention dieser Texte. Es ist natürlich ein billiges Spiel. Spannender ist natürlich die Frage wo können die beiden zusammenkommen und das hat ja auch schon der Kollege Funk dargelegt. In vielen gesellschaftlichen Fragen müssen wir uns bewusst werden, wie weit wir gehen dürfen und wo die Grenzen unseres Tuns sind. Die sind, glaube ich ganz entscheidend. Da kann christlicher Glaube sicherlich ein gutes Wertekorsett sein, bei der Beantwortung dessen wie weit dürfen wir gehen? Ist das mit Menschenrechten und unseren Vorstellungen, auch im Umgang n´mit der Umwelt so zu vertreten oder nicht.
Herr Funk: Da kann ich noch eine sehr guten Text ans Herz legen, von Hans Küng, in dem es um Faktizität geht, mit dem Titel „Was ist Wahrheit?“
Herr Schindler: Neben natürlich allen Schriften des Papstes [lacht]